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Therapie

Aus dem Vortrag „Narkolepsie“ auf der Weiterbildungsveranstaltung der DNG am 17.04.2010 in Kamen, aktualisiert am 14.04.2020
Prof. Dr. Svenja Happe, Telgte

Bisher steht keine ursächliche Therapie für die Behandlung der Narkolepsie zur Verfügung.
Ziel einer Behandlung ist es, die Einschränkung der Lebensqualität zu minimieren und die Leistungsfähigkeit zu steigern. Bei dieser symptomatischen Therapie müssen die variable Intensität der Symptome im Verlauf und die individuellen Bedürfnisse und Lebensumstände mit in Betracht gezogen werden. Jegliche pharmakologische Therapie sollte die nicht-medikamentöse Therapie mit verhaltensmodifizierenden und schlafhygienischen Maßnahmen inklusive der Verbesserung von Copingstrategien sowie das Einhalten von individuell angepassten Tagschlafepisoden mit einbeziehen. Die Aufklärung des sozialen Umfeldes über die Erkrankung ist unabdingbar, um eine Akzeptanz der manchmal seltsam anmutenden Symptome zu erreichen und unangenehme Reaktionen zu vermeiden.
Eine nicht-medikamentöse Therapie allein wird in der Mehrzahl der Fälle jedoch nicht ausreichen, so dass eine meist lebenslange pharmakologische Therapie notwendig ist. Diese richtet sich nach den Hauptsymptomen der Erkrankung. Die wesentlichen Empfehlungen der deutschen und europäischen Leitlinien zur Behandlung der Narkolepsie und seiner Symptome richten sich nach den vorherrschenden Symptomen:

1. Tagesschläfrigkeit

Die Tagesschläfrigkeit wird mit Stimulanzien behandelt.
Eine gute Studienlage besteht hierbei für Modafinil (Vigil®) und Natriumoxybat (Xyrem®).
Bei der Therapie der Tagesschläfrigkeit muss kein konstanter Medikamentenspiegel aufrechterhalten werden, so dass sich die Behandlung an den individuellen Erfordernissen des Patienten ausrichten sollte. Neben der Wirksamkeit im Hinblick auf die Tagesschläfrigkeit gilt es auch, das Nebenwirkungsprofil bei der Substanzwahl zu beachten und vorab mit dem Patienten zu erörtern. Bis 2016 waren ausschließlich Modafinil, Methylphenidat (Ritalin®, Medikinet®) und Natriumoxybat in Deutschland zur Behandlung der Tagesschläfrigkeit bei der Narkolepsie zugelassen, alle anderen Substanzen wie z.B. Selegilin und Metamphetamin werden zwar eingesetzt, sind jedoch nicht zugelassen (also „Off-label“). Seit 2016 ist als weiteres Medikament Pitolisant (Wakix®) zugelassen, soeben wurde ein weiteres Präparat, Solriamfetol (Sunosi®), zur Behandlung der Tagesschläfrigkeit in Deutschland zugelassen. In besonders schweren Fällen kommt auch eine Kombinationsbehandlung z.B. aus Modafinil und Natriumoxybat in Frage.

2. Kataplexien und andere REM-assoziierte Symptome

Kataplexien gehören wie auch die Schlaflähmung und die Halluzinationen zu den REM-assoziierten Symptomen der Narkolepsie. Obwohl derzeit mit Clomipramin und Natriumoxybat nur zwei Präparate zur Therapie der Kataplexie in Deutschland zugelassen sind, gibt es seit mehr als 40 Jahren Erfahrungen mit der Wirksamkeit von trizyklischen Antidepressiva und in der letzten Zeit auch mit selektiven Serotonin-Wiederaufnahme-Hemmern (SSRI), noradrenerg wirksamen Präparaten und deren Kombinationen, die entsprechend „Off-label“ eingesetzt werden.

Für die angewandten Antidepressiva gibt es keine großen kontrollierten Studien zur Wirksamkeit auf REM-assoziierte Symtome, aber kleinere, offene Studien und ihre jahrzehntelange Anwendung zeigen ihren positiven Effekt. Clomipramin wurde am häufigsten unter den Antidepressiva eingesetzt wegen der stärksten REM-Suppression, hat jedoch auch die meisten Nebenwirkungen. Eine gute Alternative stellt Venlafaxin dar. Das zur Therapie der Kataplexie neben der Tagesschläfrigkeit und des fragmentierten Nachtschlafes bei der Narkolepsie zugelassene Natriumoxybat ist eine Substanz, bei der eine übergreifende Wirksamkeit hinsichtlich aller Narkolepsie-typischen Symptome nachgewiesen werden konnte. Aber auch unter Pitolisant gehen die Kataplexien zurück.
Dementsprechend werden Natriumoxybat, Antidepressiva und Pitolisant zur Behandlung der Kataplexien empfohlen.

3. Gestörter Nachtschlaf

Der gestörte, unerholsame Nachtschlaf mit fragmentiertem Schlafprofil ist ein weiteres typisches Symptom der Narkolepsie. Obwohl eine Verbesserung des Nachtschlafes meist nicht die Tagesschläfrigkeit beeinflusst, verbessert sich doch die Lebensqualität der Patienten. Benzodiazepine und Benzodiazepinanaloga werden als mögliche Medikamente zur Verbesserung eines gestörten Schlafes und wegen der aussagekräftigsten Datenlage Natriumoxybat als beste Option in dieser Indikation empfohlen. Unter Modafinil kann sich der Schlaf verbessern, weshalb zunächst abgewartet werden sollte, bevor eine weitere Therapie zur Schlafverbesserung etabliert wird.

Zukünftige Therapieoptionen

Zur Verbesserung der symptomatischen Behandlung einzelner Narkolepsie-typischer Symptome werden neue Therapieansätze untersucht wie z.B. ein R-Isomer von Modafinil mit einer längeren Halbwertszeit, Histamin H3-Antagonisten, GHRH-Antagonisten, GABA-B-Agonisten und Natriumoxybat-Lösungen oder -Analoga mit einer längeren Wirkungsdauer.

Eine (zentrale) Gabe von Hypokretin-1 als entsprechender Agonist oder als Transplantation stellt möglicherweise die ideale Therapie dar und wird in Tierversuchen getestet.
Basierend auf der autoimmunologischen Hypothese der Narkolepsie zeigten Behandlungen mit Kortison, intravenöser Immunglobulingabe und Blutwäsche (sogenannte Plasmapherese) in einzelnen Fällen erste Erfolge, die in kontrollierten Studien bestätigt werden müssen. Problem einer solchen Behandlungsstrategie ist, dass früh im Krankheitsverlauf eingegriffen werden muss (d.h. z.B. in der frühen Kindheit).

Verlauf und Prognose

Die Narkolepsie mit und ohne Kataplexie ist eine lebenslang anhaltende Erkrankung mit variabler Intensität der Symptome im Verlauf ohne Erhöhung der Sterblichkeit. In der Regel ist entsprechend eine lebenslange medikamentöse Therapie notwendig, die immer individuell, an den führenden Symptomen orientierend, angepasst werden muss.

Kontakt: Frau Prof. Dr. Svenja Happe, Chefärztin,
Klinik für Neurologie
Klinik Maria Frieden
Am Krankenhaus 1
48291 Telgte
shappe@gwdg.de


Aktualisiert vor 4 Jahren von Rolf Barthel

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