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Schwerbehinderung

Behinderung, Schwerbehindertenrecht

Zusammenfassung dieser Seite

Der Erkrankung Narkolepsie folgt auf Grund der Symptomauswirkungen, den Beeinträchtigungen in allen Lebenslagen die Schwerbehinderung mit 50 bis 80 Grad der Schädigungsfolge/Behinderung (GdS/GdB).
Das ist festgelegt in der Versorgungsmedizin-Verordnung — VersMedV mit der Anlage zu § 2 VersMedV „Versorgungsmedizinische Grundsätze“.
Dort ist die Beurteilung der Narkolepsie unter Nr. 3.2 ausgeführt und damit für die Versorgungsämter bindend. Siehe § 70 SGB IX im Abs. 2 *)

Die Beantragung der Anerkennung der Schwerbehinderung erfolgt von den Betroffenen bei dem für sie zuständigen Versorgungsamt. Dabei sind die Auswirkungen der Symptome anschaulich zu schildern. Das ist wichtig, da die Entscheidung über die Schwerbehinderung individuell getroffen wird und das Wissen über Narkolepsie auf Grund der Seltenheit der Erkrankung beim Amt nicht vorausgesetzt werden kann.


Behinderung

Schwerbehindertenrecht

Die Narkolepsie ist in der Regel eine Schwerbehinderung. Wie hoch der Grad der Behinderung eingestuft wird, welche Vor- bzw. Nachteile ein Schwerbehindertenausweis für Narkolepsie-Betroffene mit sich bringt und wo ein Schwerbehindertenausweis zu beantragen ist, wird hier kurz erläutert:

Das Schwerbehindertenrecht, der zweite Teil des SGB IX, gewährt vor allem für das Arbeitsleben Schutz und Nachteilsausgleiche. Darüber hinaus ist die Schwerbehinderteneigenschaft Voraussetzung für bestimmte Vorteile/Nachteilsausgleiche nach anderen Rechtsvorschriften.

Die Auswirkungen der Behinderungen auf die Teilhabe am Leben in der Gesellschaft werden als Grad der Behinderung bzw. bei chronischen Erkrankungen in Grad der Schädigungsfolge festgestellt (§ 69 Abs. 1 SGB IX).

Schwerbehindert ist ein Mensch dann, wenn bei ihm ein Grad der Behinderung (GdB / GdS) von wenigstens 50 vorliegt (§ 2 Abs. 2 SGB IX). Um die „Grade der Behinderung“ bei den einzelnen Behinderungen einigermaßen sachgerecht und gleichmäßig beurteilen zu können, hatte das Bundesministerium für Gesundheit Richtlinien herausgegeben. Diese waren unter dem Titel „Anhaltspunkte für die ärztliche Gutachtertätigkeit im sozialen Entschädigungsrecht und nach dem Schwerbehindertenrecht (Teil 2 SGB IX)“ — AHP — bis 31.12.2008 verbindlich.
Durch das Gesetz zur Änderung des Bundesversorgungsgesetzes vom 13. Dezember 2007 (BGBl. I S. 2904) wurde der § 30 Absatz 17 BVG eingefügt und damit die Ermächtigungsgrundlage geschaffen, die dann durch eine Rechtsverordnung konkretisiert wurde.

Seitdem 01.01.2009 gilt die Versorgungsmedizin-Verordnung — VersMedV mit der Anlage zu § 2 VersMedV „Versorgungsmedizinische Grundsätze“. *)
Dort ist für die Beurteilung der Narkolepsie unter Nr. 3.2 folgendes ausgeführt und damit für die Versorgungsämter bindend:

3.2   Narkolepsie
Je nach Häufigkeit, Ausprägung und Kombination der Symptome (Tagesschläfrigkeit, Schlafattacken, Kataplexien, automatisches Verhalten im Rahmen von Ermüdungserscheinungen, Schlaflähmungen – häufig verbunden mit hypnagogen Halluzinationen) sind im allgemeinen GdS von 50 bis 80 anzusetzen.“

Narkolepsie ist eine chronische Erkrankung und zählt zu den Behinderungen. Warum das so ist und was genau das bedeutet, soll hier erklärt werden:

Nach dem Recht der Rehabilitation und der Teilhabe behinderter Menschen, das in dem neunten Buch des Sozialgesetzbuches (SGB IX) geregelt ist, zählt auch die Narkolepsie zu den Behinderungen. Denn auch bei der Narkolepsie sind die körperlichen Funktionen und die geistigen Fähigkeiten für länger als sechs Monate gestört und weichen von dem typischen Zustand eines gesunden Menschen ab. Dadurch ist die Teilhabe am Leben in der Gesellschaft beeinträchtigt (vgl. § 2 Abs. 1 SGB IX).
Wegen der zeitweise auftretenden quälenden Schläfrigkeit können nicht immer die gleichen Leistungen wie von einem gesunden Menschen erbracht werden. Dadurch sind die Betroffenen zurückgesetzt; infolge der Schläfrigkeit sind sie häufig gehindert, am gesellschaftlichen Leben teilzunehmen. Die Reaktionen der Umwelt auf die Müdigkeit und unwillkürliches Einschlafen veranlassen viele Betroffene, sich zurückzuziehen.

Menschen mit Behinderung haben zur Förderung ihrer gleichberechtigten Teilhabe Anspruch auf Hilfe (§ 10 SGB I). Das ist ein Programmsatz, der der Konkretisierung bedarf. Im Einzelnen ist das in den Sozialleistungsgesetzen näher geregelt. Damit der/die Behinderte sich über die für ihn/sie in Betracht kommenden Hilfemöglichkeiten informieren kann, gibt es örtliche gemeinsame Servicestellen der Sozialleistungsträger (§§ 22 ff SGB IX), die Beratung und Unterstützung bieten sollen. Diese Servicestellen sind leider zu wenig bekannt und werden daher auch zu wenig in Anspruch genommen.

Für Narkolepsie-Betroffene kommen neben der medizinischen Hilfe vor allem die Hilfen der Agentur für Arbeit in Zusammenarbeit mit dem Intergrationsfachdienst und dem Integrationsamt in Betracht .
Es ist zur Teilhabe am Arbeitsleben (§ 33 SGB IX) ein ganzer Katalog von Hilfemöglichkeiten vorgesehen, von der beruflichen Vorbereitung über die berufliche Weiterbildung bis zur Gestaltung des Arbeitsplatzes. Es kann allerdings sein, dass der zuständige Arbeitsvermittler bei der Agentur für Arbeit nicht oder nur wenig mit dem Krankheitsbild der Narkolepsie vertraut ist. In solchen Fällen sollten Narkolepsie-Betroffene ihren zuständigen Arbeitsvermittler mit Nachdruck auf die ihnen zustehende Hilfe aufmerksam machen.

Danach ist die Narkolepsie als Schwerbehinderung mit mindestens 50 GdS einzustufen.
Es kommt trotz des eindeutigen Wortlautes der Anhaltspunkte in den Bescheiden der Versorgungsämter immer noch vor, dass für die Narkolepsie GdB-Grade von 30 oder gar nur 20 festgestellt werden. In solchen Fällen sollte unter Hinweis auf die VersMedV mit der Anlage zu § 2 VersMedV „Versorgungsmedizinische Grundsätze“ (für die Beurteilung der Narkolepsie unter Nr. 3.2) Widerspruch gegen die Entscheidung eingelegt werden.

Sind bei Betroffenen mit Narkolepsie die Kataplexien sehr stark ausgeprägt, etwa wenn bei den Kataplexien die Haltungsmuskulatur versagt und der/die Betroffene zu Boden sinkt, oder die Schläfrigkeit die Orientierung erheblich beeinträchtigt, kann für einen Nachteilsausgleich auch das Merkzeichen „G“ zuerkannt werden. Das bedeutet, dass die/der Betroffene in seiner Bewegungsfähigkeit im Straßenverkehr erheblich beeinträchtigt ist, weil Betroffene wegen der Stürze und / oder der fehlenden Orientierung im Straßenverkehr sich und auch andere gefährden können.
Wer das Merkzeichen „G“ erhielt, hat nach Zahlung für eine Wertmarke Anspruch auf kostenlose Beförderung im öffentlichen Personennahverkehr. Ist bei Narkolepsie-Patienten das Merkzeichen „G“ gerechtfertigt, dann kommt regelmäßig auch das Merkzeichen „B“ in Betracht. Das bedeutet, dass die Berechtigung für eine ständige Begleitung nachgewiesen ist. Die Begleitperson ist in öffentlichen Verkehrsmitteln kostenlos mit dem behinderten Person zu befördern.
Die Schwerbehinderung wird auf Antrag beim Versorgungsamt festgestellt. Zwar ist eine besondere Form nicht gesetzlich vorgeschrieben, aber man wird doch angehalten, die amtlichen Antragsvordrucke zu benutzen und auszufüllen. Bei der Frage nach den Behinderungen sollte man sich nicht damit begnügen, nur die medizinische Diagnose anzugeben; man sollte auf jeden Fall schildern, wie konkret die Krankheit die Teilhabe am Leben in der Gesellschaft und in verschiedenen Lebenssituationen beeinträchtigt. Denn nur dann kann sachgerecht entschieden werden, wie schwer die Narkolepsie bei dem Antragsteller ist und welcher GdS hier gerechtfertigt ist.
Nach der Einholung von ärztlichen Berichten ergeht dann eine Entscheidung über die geltend gemachte Behinderung. Wenn der Bescheid nicht den Vorstellungen des Antragstellers entspricht, kann gegen den Bescheid Widerspruch eingelegt werden. Über den Widerspruch entscheidet das Landesversorgungsamt; dessen Entscheidung kann vor dem Sozialgericht angefochten werden. Im Stadium des Widerspruchsverfahrens sollte man unbedingt die Akten ansehen. Darauf hat man einen Anspruch.

Wer schwerbehindert ist, hat im Arbeitsleben zum Ausgleich der Beeinträchtigung Schutz und Vergünstigungen. Als Wichtigstes ist hier zu nennen:

  • Benachteiligungsverbot bei der Einstellung und Beschäftigung,
  • Beschäftigung nach den Fähigkeiten und Kenntnissen des Behinderten,
  • bevorzugte Berücksichtigung bei betrieblichen Weiterbildungsmaßnahmen,
  • behindertengerechte Gestaltung des Arbeitsplatzes, der Arbeitsorganisation und der Arbeitszeit.
    Das Letztere ist oft besonders wichtig für Narkolepsie-Patienten. Er / sie hat z. B. Anspruch darauf, dass ein erholsames Nickerchen ermöglicht werden kann – es sei denn, dass das wegen wichtiger betrieblicher Belange für den Arbeitgeber unzumutbar ist.
  • Anspruch auf Teilzeitbeschäftigung,
  • Schwerbehinderte sind nicht verpflichtet Mehrarbeit zu leisten,
  • Zusatzurlaub von fünf Arbeitstagen im Urlaubsjahr,
  • erhöhter Kündigungsschutz.
    Hierbei ist zu bemerken, dass das allgemeine Kündigungsrecht auch für Behinderte gilt. Lediglich im Verfahren gibt es besondere Hürden, die sicherstellen sollen, dass dem/der Schwerbehinderten nicht leichtfertig gekündigt wird. Die wichtigste Hürde ist wohl, dass vor einer Kündigung die Zustimmung des Integrationsamtes eingeholt werden muss. Die häufig auf Arbeitgeberseite geäußerte Bemerkung, Schwerbehinderten könne man praktisch nicht kündigen, trifft nicht zu.
  • Interessenvertretung durch gewählte Schwerbehindertenvertretung,
  • Vorzeitiger Bezug der Altersrente mit Vollendung des 63. Lebensjahres ++. (Die Details sind in den jeweiligen Gesetzen und Verordnungen geregelt.)

Weitere Vergünstigungen finden sich im Einkommensteuerrecht. Gestuft nach dem Grad der Behinderung kann ein Pauschalbetrag von dem zu versteuernden Einkommen abgesetzt werden (§ 33b EStG).

In weiteren Leistungsgesetzen gibt es bei dem Nachweis der Schwerbehinderung gewisse Vergünstigungen, z. B. durch die Anrechnung von Freibeträgen bei der Wohnungsbauförderung und dem Wohngeld oder Mehrbedarf bei der Sozialhilfe.

Viele kommunale und private Institutionen gewähren für den Zugang zu Veranstaltungen den Schwerbehinderten Ermäßigungen. Es lohnt sich, immer danach zu fragen.

Trotz der zahlreichen Vorteile zögern viele Schwerbehinderte, einen Antrag auf Ausstellung eines Schwerbehindertenausweises zu stellen. Sie fürchten bei der Suche nach einem Arbeitsplatz faktische Nachteile, weil ein Arbeitgeber einen gesunden Bewerber doch eher einstelle als einen Behinderten. Obwohl es ja eigentlich keine Nachteile für Schwerbehinderte bei der Arbeitsplatzsuche geben soll (Arbeitgeber sind nach § 81 SGB IX verpflichtet zu prüfen, ob es für die Besetzung von freien Stellen schwerbehinderte Menschen gibt.), muss man feststellen, dass es Vorbehalte gegen Schwerbehinderte gibt. Es ist daher schon richtig, gut zu überlegen, ob man einen Schwerbehindertenausweis beantragen soll, wenn man nicht in einem gesicherten Arbeitsverhältnis steht. (Anderseits kann man ohne Schwerbehindertenausweis kaum eine Unterstützung vom Integrationsamt und Integrationsfachdienst erhalten.)

Es wird auch immer wieder gefragt, ob man bei der Suche nach einem Arbeitsplatz seine Schwerbehinderung offenbaren muss. Grundsätzlich muss man seine Schwerbehinderung nicht offenbaren. Etwas anderes gilt dann, wenn die Schwerbehinderung einen an der konkreten Arbeitsleistung hindert, wenn z. B. ein/e Narkolepsie-Betroffene/r für die Qualitätskontrolle am Bildschirm eingesetzt werden soll. Diese monotone Tätigkeit führt mit Sicherheit zu Fehlleistungen.

*) Wenn es in einzelnen Versorgungsämtern Zweifel an der Geltung der VersMedV gab, so sind diese nun mit der Ergänzung des § 70 SGB IX im Abs. 2 ausgeräumt:

„Das Bundesministerium für Arbeit und Soziales wird ermächtigt, durch Rechtsverordnung mit Zustimmung des Bundesrates die Grundsätze aufzustellen, die für die Bewertung des Grades der Behinderung, die Kriterien für die Bewertung der Hilflosigkeit und die Voraussetzungen für die Vergabe von Merkzeichen maßgebend sind, die nach Bundesrecht im Schwerbehindertenausweis einzutragen sind.“

Diese Norm bildet die Grundlage für den Erlass einer Verordnung zur Bewertung des Grades der Behinderung bzw. zur Bestimmung der Voraussetzungen von Merkzeichen als auch für die Schwerbehindertenausweisverordnung.
Bis eine ’neue‘ Versorgungsmedizin-Verordnung ausdrücklich im formalen Verfahren auf Basis dieser Ermächtigungsgrundlage erlassen worden ist, gilt die o. g. VersMedV.


Aktualisiert vor 3 Jahren von Rolf Barthel

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